Borreliose Update 2013 (Kongressbericht)
Im Rahmen der ECCMID 2013 in Berlin fand auch ein interessantes Symposium zum Thema „Borreliose“ statt. Vier internationale Spezialisten präsentierten ein Update zu dieser bakteriellen
Erkrankung.
Hier ist der Link zu der Zeitschrift wo dieser Artikel erschienen ist: Universum Innere
Medizin
Frau Dr. Stupica (Ljubljana, Slowenien) referierte über die richtige klinische Diagnostik:
In Europa entwickeln weniger als 50% der Patienten überhaupt Symptome einer Borreliose, daher läuft in den meisten Fällen diese Erkrankung subklinisch ohne Organmanifestationen ab. Konträr dazu
weisen die Daten aus den USA auf einen deutlich höheren Prozentsatz eines symptomatischen Verlaufes hin. Dies liegt in erster Linie an den unterschiedlichen Unterarten der jeweils vorkommenden
Borrelien.
Neben dem Erythema migrans (EM, Wanderröte) sind auch das Borrelienlymphozytom und die Acrodermatitis chronica atrophicans typische Hautmanifestationen dieser Erkrankung. Speziell beim EM sind
wegen des typischen Aussehens keine weiteren diagnostischen Massnahmen notwendig, es kann gleich mit einer antibiotischen Therapie begonnen werden. Die häufig von Laien gewünschte Untersuchung
der asservierten Zecke sollte aus verschiedenen Gründen nicht durchgeführt werden.
In Europa haben Patienten mit einem EM in 20-50% auch allg. Krankheitssymptome, möglicherweise ist dies als Zeichen einer Disseminierung zu werten. Auch das Auftreten von mehreren EM an
unterschiedlichen Stellen weist auf eine erfolgte Streuung hin.
Typisch für die „Lyme Arthritis“ ist folgendes Gelenksmuster: Asymmetrisch, plötzlicher Beginn, Schwellung, keine Rötung, grosse Gelenke. Oft ist nur ein Kniegelenk betroffen, gelegentlich auch
Hüfte, Ellenbogen oder Schulter. Die kleinen Fingergelenke sind nur ausnahmsweise involviert. Diagnostisch sollte wenn möglich eine PCR des Gelenksergusses durchgeführt werden.
Recht neu ist die Entität der Augenborreliose. Das klinische Bild kann dabei recht unterschiedlich sein: Konjunktivitis, Uveitis, Papillitis, Keratitis. Nicht zu verwechseln ist die eigentliche
Augenborreliose mit der Augenbeteiligung durch extraokuläre Paresen der Gehirnnerven VII, II, IV oder VI.
Zum Beweis der Augenborreliose kann theoretisch der Nachweis einer lokalen Antikörperbildung bzw. ein PCR-Nachweis im Kammerwasser erfolgen was jedoch in der Praxis nicht immer durchführbar ist.
Die Diagnose der Neuroborreliose ergibt sich einerseits aus der Klinik (Meningitis, Meningoradikulitis, Paresen der Hinrnerven) und der erhöhten Zellzahl (lymphozytär) im Liquor. Der Nachweis der
intrathekalen Antikörperbildung gegen Borrelien ist beweisend für das Vorliegen einer Neuroborreliose.
Prof. Kristoferitsch (Wien) präsentierte einige ungewöhnliche Fälle mit Neuroborreliose. Neben den für diese Erkrankung typischen Symptomen welche unter dem Begriff Bannwarth Syndrom subsummiert
werden (Meningoradikulitis und Meningoradikuloneuritis) werden sporadisch Fälle mit einer akuten transversen Myelitis, chronischer Meningitis, Opticusneuritis oder Insultsymptomatik beobachtet.
Auch bei Patienten mit plötzlicher Zwerchfelllähmung konnte in Einzelfällen eine Neuroborreliose als Ursache gefunden werden.
Prof. Hunfeld (Frankfurt/Main, Deutschland) zeigte den offensichtlich extensiven Gebrauch der Borrelienserologien in Deutschland. Es werden jährlich über drei Millionen Borrelienserologien
durchgeführt, die Gesamtkosten betragen 41 Millionen Euro. Speziell beim Erythema migrans besteht keine Indikation für die Durchführung einer Serologie, da in dieser frühen Krankheitsphase immer
wieder mit falsch negativen Ergebnissen zu rechnen ist. Auch eine serologische Kontrolle nach einer abgeschlossenen Therapie sollte unterlassen werden da IgG und sogar IgM Monate bis Jahre
persistieren können, ohne dass sich dadurch eine neuerliche Behandlungsindikation ergeben würde.
Kultur und PCR sind nur für spezielle Fragestellungen indiziert, beispielweise kann bei einer sehr frühen Neuroborreliose wegen der noch nicht angelaufenen intrathekalen Antikörperproduktion die
Diagnose durch eine positive PCR aus dem Liquor gesichert werden.
Bei einer Lyme-Arthritis sollte die Durchführung einer Borrelien-PCR aus dem Gelenks punktat angestrebt werden, diese Untersuchung hat eine 80 bis 90%-ige Sensitivität.
Dr. Wormser (New York, USA) zeigte in seinem Vortrag die zunehmenden Zweifel in der Fachliteratur bezüglich der Existenz einer „chronischen Borreliose“ bzw. einer „post-lyme disease“. Trotz
intensiver Forschungen in den letzten Jahren konnte kein Zusammenhang zwischen diesen Krankheitsbildern und Borrelien gefunden werden. Weder eine intensive Erregerdiagnostik noch eine
antibiotische Therapie ist bei diesen Patienten angezeigt.
Zusammenfassung: In den letzten Jahren hat diese erst vor relativ kurzer Zeit entdeckte bakterielle Erkrankung zunehmend ihren Mythos verloren. Sowohl die Definition der einzelnen
Krankheitsbilder als auch der Workflow der Abklärung sind inzwischen gut definiert, wie auch bei anderen Infektionskrankheiten kann durch übermässige und ungezielte Diagnostik mehr Schaden als
Nutzen entstehen.
Merksätze für die Praxis:
- Ein Erythema migrans ist eine klinische Diagnose, die Borrelienserologie kann in diesem Stadium der Erkrankung falsch negativ sein und soll daher nicht bestimmt werden.
- Ohne Klinik einer Borreliose soll auch keine weitere Diagnostik betrieben werden. Keinesfalls sollen nur reine Laborbefunde therapiert werden.
- Bei klinischem Verdacht auf eine Neuroborreliose ist nach wie vor die Durchführung einer Lumbalpunktion notwendig.
- Sowohl die IgG als auch IgM-Antikörper können jahrelang nach einer Infektion bzw. einer erfolgreicher Therapie positiv bleiben, daher keine Kontrolle der Serologie nach erfolgter Therapie.
- Die „chronische Borreliose“ und „Post Lyme Disease“ sind sehr umstrittene Krankheitsbilder, in den meisten Fällen haben die vom Patienten geschilderten Symptome nichts mit einer
Borrelienerkrankung zu tun.
Autor: Marton Szell
Katharina (Montag, 18 November 2013 11:18)
Ein sehr interessanter Artikel, aber vor allen Dingen auch informativ. Da kann man schon einiges erfahren, was man sonst nicht unbedingt gesagt bekommt. Vielen Dank dafür.
Dr. Marton Széll (Montag, 18 November 2013 11:38)
Danke für ihr Feedback. Eigentlich ist dies lediglich das aktuelle schulmedizinische Wissen über diese Erkrankung...
Regula (Sonntag, 24 November 2013 06:01)
Fakt ist, dass zig Tests auf dem Markt sind, über deren Sensitivität und Spezifität nichts ausgesagt werden kann und die nichts über die Aktivität einer Borreliose aussagen können. Deshalb sind alle Aussagen einzelner Experten zur Epidemiologie, Diagnose und Therapie der Borreliose rein persönliche Meinungen, die sie auf die jeweils genehme Literatur abgestützt wird. Das hilft den Patienten nicht weiter. Die Patienten brauchen Lösungen.
"Die Kontroverse der Lyme- Krankheitsforschung ist eine beschämende Angelegenheit. Die ganze Sache ist politisch verdorben. Das Geld geht an Leute, die in den vergangenen 30 Jahren immer das Gleiche hervorgebracht haben: nämlich nichts!"
Zitat W. Burgdorfer (Entdecker von borrelia burgdorferi) im Dokumentarfilm "Under our Skin",
Aktionsbündnis gegen zeckenübertragene Infektionen Deutschland e. V. (Sonntag, 24 November 2013 14:50)
Non nocere! Es ist ein Grundsatz der Medizin, dem Patienten durch die Behandlung vor allem nicht zu schaden. Das „Primum non nocere“ gebietet auch, hergebrachte Therapiemöglichkeiten darauf hin zu prüfen, ob sie im Licht neuer Erkenntnisse, die hier offenbar gar nicht erst vorgestellt wurden, diesem Grundsatz noch gerecht werden. Stichwort: Borrelien und Biofilm. Ein Nachweis, der das unzureichende, weil meist nach 28 Tagen endende kausale Therapiekonzept der US-Leitlinienautoren um Dr. Wormser ins Wanken bringt. Siehe auch: http://www.plosone.org/article
Dr. Marton Széll (Sonntag, 24 November 2013 15:28)
Da ich mich als Infektionsspezialist an evidencebasierte Fakten halte möchte ich hier nicht einzeln auf alle teilweise mich eher belustigende Postings eingehen.
Hier ist ein Link zu drei Kurzvideos der Amerikanischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten: http://tinyurl.com/l4qqflj
Und recht interessante Infos kann man zb auch über die "Deutsche Borreliose Gesellschaft" lesen:
"Die DBG sei eine Lobbyisten-Gesellschaft, die Leitlinien der DGN hingegen seien seriös. Und wenn man dann bloß mal ein bisschen nachgräbt, dann fällt einem auf, dass der federführende Autor der DGN-Leitlinie, Sebastian Rauer, so als Nebenjob gleich noch Chef einer Firma (ravo-Diagnostics) ist, die z.B. Immunoassays für Borreliose-Tests verkauft... "
Quelle: http://tinyurl.com/kum5g7x
Ich habe mich jahrelang mit den Argumenten der sogenannten HIV-Dissidenten beschäftigt und in vielen Foren mich mit selbsternannten Experten duelliert. Merkwürdigerweise ist es um die HIV Leugner recht leise geworden...
Inzwischen ist es mir um die Zeit zu schade... Ich besuche regelmässig Fachkongresse und lese die meisten zu diesem Thema erscheinenden Publikationen in peer reviewed Journals. Damit bin ich zeitlich ausgelastet und kann meinen Patienten die aktuelle Sicht der Schulmedizin anbieten.
P.S. (Montag, 01 Dezember 2014 13:14)
Wir sind in Sri Lanka und mein Mann hat dieses Erythem. Ihm ist nicht bewusst von etwas Anderem als Moskitos gestochen worden zu sein. Da wir etwas skeptisch sind bei den Ärzten hier wissen wir nicht was wir tun sollen?
Dr. Marton Szell (Montag, 01 Dezember 2014 13:43)
Gibt es ein Foto? Wann kommen sie zurück aus dem Urlaub?
Könnten Sie mich anmailen?
Paula Tischer (Freitag, 20 Februar 2015 16:12)
Sehr geehrter Herr Dr. Stell,
Könnten Sie mich behandeln? Ich habe offensichtlich Borreliose im II. Stadium: Insektenbiss irgendwann im Juli 2014, Wanderröte Juli - September, seit Oktober immer stärkere Gelenkschmerzen im linken Fuß und rechten Ellenbogen. Bluttest vom Dez 2014 positiv - g+m. Andere Ursachen wurden inzwischen ausgeschlossen.
(Bin Kassenpatientin.)
Mit freundlichen Grüßen
Paula Tischer
Dr. Marton Szell (Freitag, 20 Februar 2015 17:47)
Sehr gerne Frau Tischer
Am besten sie rufen unsere Sprechstundenhilfen für einen Terminvereinbarung an:
01 3070666
Erreichbarkeit telefonisch
Mo, Di, Mi, Fr: 14:00 bis 18:00
Do: 8:00 bis 12:00
Manuela Ringbauer (Montag, 09 März 2015 20:44)
Sehr geehrter Herr Dr. Stelll,
ich hatte keine Wanderröte und auch sonst keine Merkmale einer Borreliose. Aufgrund meines schlechten Gesundheitszustandes wagte ich es, das Internet anhand meiner Symptome zu durchforsten. Da vieles für eine Borreliose Erkrankung sprach, bat ich meinen Arzt um einen Laborbefund. Dieser stellte sich als positiv in allen Banden dar. Nun frage ich mich, ob man diesen Erreger mit einer AB Behandlung einfach so bekämpfen kann, obwohl man nicht weis, wie lange sich dieser Erreger bereits im Körper befand. LP war negativ mit dem Vermerk der Laborantin "mit Vorbehalt". Wüsste gerne ihre Meinung dazu.
Mit freundlichen Grüßen
Manuela Ringbauer
Dr. Marton Széll (Montag, 09 März 2015 21:00)
Liebe Frau Ringbauer!
Ich müsste ihre Beschwerden und Symptome mit ihnen besprechen und alle Befunde die bis jetzt erhoben wurden durchsehen. Wäre es ihnen möglich in unsere Ordination zu kommen?
Manuela Ringbauer (Dienstag, 10 März 2015 10:15)
Sehr geehrter Herr Dr. Széll,
erstmal möchte ich mich für meine Rechtschreibung entschuldigen und für die rasche Antwort bedanken. Passiert mir leider immer öfter. Was die Beschwerden, Symptome sowie die Befunde betrifft: Das ist eine Menge an Daten. Alleine diese sorgfältig durchzusehen, nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. Bislang hat es noch niemand geschafft, diese Zeit aufzubringen und es wurden Krankheiten vermutet von myofasciale Schmerzen, chronic fatigue Syndrom, Bandscheibenbedingte Schmerzen bis hin zu Fibromyalgie und Bannwarth. Alleine mein "Pfeiffersches Drüsenfieber" nahm Ausmaße an, die bis heute keiner erklären kann und immer wieder, wenn man keine Erklärung für die Symptome hat, heißt es, dass dies psychisch ist. Ich habe ehrlich gesagt wenig Hoffnung, dass irgendjemand auf eine eindeutig nachweisbare und hoffentlich behandelbare Erkrankung stößt. Gibt es denn inzwischen schon ein Testverfahren zum Thema Borreliose, welches sichere Ergebnisse liefert?
Frau Süss (Montag, 15 Juni 2015 10:48)
Sehr geehrter Herr Dr. Szell!
Ich bin schwanger (1. Trimenon) und hatte vor 3 Wochen das erste Mal seit 25 Jahren einen Zeckenstich. Es zeigt sich keine Wanderröte, sonstige Symptome sind schwer von meiner normalen Schwangerschaftsmüdigkeit zu unterscheiden. Die Einstichstelle war 1 Woche lang rot (ca. 2,5 mm Durchmesser), seit 2 Wochen sieht man lediglich schwach einen winzigen Punkt.
Gibt es Untersuchungsmethoden die eine Infektion bei mir ausschließen können?
Josefine Charlotte (Donnerstag, 24 September 2015 23:24)
Hallo Herr Dr Széll,
ich bin übers Internet auf Ihre Website aufmerksam geworden als ich mir mich über Therapiemöglichkeiten von Borreliose informieren wollte.
Habe seit dem 11 August Gelenkschmerzen.
Am 16. August habe ich eine Stichstelle am Bein entdeckt um welche sich einen rot-bläulichen Kreis gebildet hatte.
Am 18. August bekam ich grippenartige Symptome (Kopfschmerzen, Fieber, übel, wacklig auf den Beinen, schläfrig). Mein Hausarzt gab mir Panfurex und Dafalgan und verschrieb eine Blutuntersuchung unter anderem auch Borreliose.
Das Ergebnis bekam ich 3 Wochen später leider positiv. Seit dem nehme ich Doxyclyclin 2x100mg (einmal morgens und einmal abends) für 3 Monate.
Meine Frage ist diese Dosis hoch genug? Im Internet habe ich gelesen dass man 2x200mg nehmen soll im Frühstadium für 30 Tage?
Gibt es noch andere Möglichkeiten die ich tun kann mit dem Essen? Was ist noch zu beachten?
Kann man Sie besuchen auch wenn man im Ausland wohnt?
Dr. Marton Szell (Freitag, 25 September 2015 07:41)
Liebe Frau Josefine
Ich müsste mir ihren Fall genauer ansehen, die Laborwerte etc.
Der Verlauf ihrer Symptome ist sehr untypisch für eine Borreliose. Über das Internet ist es mir kaum möglich sie beraten zu können, gerne können sie sich einen Termin in unserer Praxis vereinbaren.
Christine Aigner (Donnerstag, 12 November 2015 12:47)
Sehr geehrter Herr Dr. Szell,
Ich bin schwanger (33 SSW) und hatte vor knapp 6 Wochen einen Zeckenstich am Bauch.
Bisher keine Wanderröte.
ELISA-Test vor einer Woche war negativ.
Seit ca. 10 Tagen Schmerzen in den Fingern, ansonsten keine nennenswerten Beschwerden.
Sollte bzw. kann ich diesem Ergebnis vertrauen bzw. kann ich die Fingerschmerzen einfach als Schwangerschaftsbeschwerden hinnehmen?
Da ich aus Graz bin, können Sie mir sagen, wo ich im Fall der Fälle hingehen soll? Borrelien-Ambulanz? Hygiene-Institut? Die Frage ist, ob jemand noch etwas tut, wenn der ELISA-Test definitiv negativ war.
Danke und LG
Dr. Marton Szell (Donnerstag, 12 November 2015 22:26)
Liebe Frau Aigner
Wenn sie keine Symptome einer Borreliose haben, ist keine Therapie notwendig. Fingerschmerzen wären sehr untypisch.
Eigentlich sollte sich jeder Hausarzt mit der Basisdiagnostik einer Borreliose auskennen.
MFG